Totenschiff
Simone Vögele
Totenschiff, 2017
Tuschezeichnung
24 x 33 cm
VG Bild 2021
Wird vorgetragen von Simone Vögele
Meine Zeichnung zeigt ein schon untergegangenes Schiff, bei dem nur die Takelage und Skelette über die Wasseroberfläche ragen. Ein Rettungsboot mit (noch) Lebenden nähert sich, verschmilzt jedoch schon zeichnerisch mit dem Totenschiff. Das Meer läßt sich nur durch die Leere des Blattes erahnen. Der Tod auf dem Meer ist für die meisten Menschen ein Tod der Anderen. Wir sehen das in der Reaktion der Menschen auf die Totenschiffe der Flüchtenden. Das scheint weit weg.
Ob es sich nun um eine von der Not diktierte oder freiwillig unternommene Reise handelt, ist ihr Sinnbild fahrendes Schiff und wogendes Meer. Aber der Ort, wo eine Reise stattfindet, liegt irgendwo im Inneren des Reisenden. Jede Reise ist eine Verwirklichung von Reisen, die man sich schon vorgestellt hat. Aber diese eine, letzte Reise betrifft alle. Sie liegt jenseits der Vorstellungen. Schiffe sind im Hafen sicher, aber dafür wurden sie nicht gebaut. Auf die letzte Reise gehen, heißt sterben. Es ist ganz einfach. Bisher hat es noch jeder geschafft. Kunst schafft eine Brücke über die menschlichen Abgründe hinweg, deshalb ist ihr Blickwinkel beachtenswert. Für den Künstler gibt es ein Arbeiten nach dem Sehen und ein Arbeiten nach dem Wissen. Beides hängt dadurch zusammen, daß ein Ding wahrnehmen heißt, in seiner Struktur Form finden. Darstellungen des Todes auf dem Meer finden Formen, die dem Betrachter begreiflich erscheinen, da er die Reise als Aufbruch im Schiff schon im archetypischen Bild über Jahrhunderte hinweg verinnerlicht hat. Mit möglichst wenig Mitteln eine größtmögliche Aussagekraft zu erreichen, ist die Aufgabe der Zeichnung wie ich sie verstehe, um Inhalt und Form zu verbinden. Also das Herstellen einer kleineren Quantität, die den Wert oder die Kraft einer größeren, die jenseits aller Erfahrung liegt, zu vermitteln.